Ägyptisch Blau

Analyse von Rohstoffherkunft und Produktionstechnologie

Trotz der zweihundertjährigen Forschungsgeschichte nach seiner Wiederentdeckung bestehen rund um das künstliche Pigment Ägyptisch Blau noch komplexe Forschungsdesiderate, nicht zuletzt aufgrund des weitgehenden Fehlens von altorientalischen, antiken oder auch mittelalterlichen kunsttechnologischen Anleitungen. Modernen Laborexperimenten zufolge geschieht die Synthese durch Sintern oder Aufschmelzen einer Mischung von Quarzsand, Kalkstein, Kupfererz und schmelzpunktsenkendem Flussmittel bei Temperaturen zwischen 850°C und 1000°C in oxidierender Ofenatmosphäre. Mittels bildgebender Ramanspektroskopie konnten Verbindungslinien zwischen einem frühmittelalterlichen Wandmalereifragment aus St. Peter ob Gratsch in Südtirol (Norditalien) und römisch-kaiserzeitlichen Pigmentkugeln aus Aventicum und Augusta Raurica (Schweiz) mit in römischen Quellen um die Zeitenwende erwähnten, als auch durch archäologische Grabungskampagnen belegten Produktionsstätten in den Phlegräischen Feldern in Kampanien (Süditalien) herausgearbeitet werden. 

Die mineralogische Kongruenz deutet auf ein über den Zusammenbruch des Weströmischen Reiches hinaus bestehendes Produktions- und Handelsmonopol; eine lokale Bereitung von Ägyptisch Blau im Alpenbogen erscheint vermutlich aufgrund mangelnder herstellungstechnischer Kenntnisse unwahrscheinlich. Die Charakterisierung und Verortung der Rohmaterialien basiert auf im Spurenbereich erhaltenen Verunreinigungen, weniger des sulfidischen Kupfererzes, als des Quarzsandes, die nicht in Einklang mit Vorkommen in Südtirol als auch der Schweiz zu bringen sind. Mit Aufbereitung, Applikation und Verwitterung des Blaupigmentes korrelierte Neubildungen lassen sich desgleichen nachweisen und als kulturgeschichtliche Informationsträger auswerten. Diese Ramanmikroskopische Gegenüberstellung wird um das (spät)antike Pendant in Form von altägyptischem Ägyptisch Blau erweitert. Darüber hinaus dienen erstmalige in situ-Ramanexperimente der Beobachtung des Reaktionsverlaufs in Echtzeit zur Herleitung der Kristallisation des farbgebenden Minerals Cuprorivait als Festkörper- oder Schmelzreaktion. Die Bildungsbedingungen von farbloser und/oder grünlicher Glasphase bedürfen noch der Klärung, dies möglichst in Abgrenzung von der idem kupferhaltigen Glasphase von Ägyptisch Grün. Allenfalls lassen sich so Hinweise für die Einordnung des deutlich weniger inflationär verwendeten Grünpigmentes als Fehlbrand bei suboptimalen Parametern für die Erzeugung von Ägyptisch Blau oder als gewolltes hochwertiges Fabrikat für Kunst und Kunsthandwerk ableiten.

 

Projektpartner

Staatliches Museum Ägyptischer Kunst in München (Deutschland) 
Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte in Winterthur (Schweiz)

Kofinanzierung

Goethe-Stiftung für Kunst und Wissenschaft in Zürich (Schweiz)