Renn- und Hochofenschlacke

Vom Bohnerz zum (latent hydraulischen) Mörtelzuschlagstoff

Zusammensetzung und Eigenschaften historischer Mörtelmischungen resultieren aus der Adaption zeitbedingter technischer Möglichkeiten an lokal verfügbare Rohstoffe. Bereits in vorindustrieller Zeit werden Schlackenabfälle aus der Erz- oder auch Glasverhüttung regional als Mörtelzuschlag verwertet. Mit der Etablierung der leistungsfähigeren Hochöfen zur Eisengewinnung findet granulierte Hochofenschlacke im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Eingang in die Mörteltechnologie. Hüttensand besitzt in Abhängigkeit von chemischer Zusammensetzung und Glasgehalt latent hydraulische Eigenschaften, wobei eine alkalische Anregung über den gelöschten Kalk oder hydratisierenden Portlandzement erforderlich ist. Chemismus, Petrographie und Morphologie von im Mörtelgefüge reliktisch erhaltenen Schlackepartikeln erlauben aufgrund modifikationsspezifischer Bildungstemperaturen und Stabilitätsbereiche der konstituierenden Phasen Rückschlüsse auf Prozesstemperaturen als auch Abkühlungsverlauf und damit die Rekonstruktion der technologischen Fertigkeiten in der Eisenverhüttung. 

Studienobjekt ist durch gemeinsame Mahlung von pulverisiertem Schlackensand und Weißkalkhydrat erzeugter Schlackenzement der Ludwig von Roll'schen Eisenwerke in Choindez (Schweiz). Neben der Aufschlüsselung des kristallinen und amorphen Phasenbestandes steht auch die Mineralogie eventueller in den benachbarten Porenraum hineinwachsender Reaktionssäume im Zentrum des kunsttechnologischen Forschungsinteresses, da diese ein tatsächliches latent hydraulisches Reaktionsvermögen des Hüttensandes belegen. Parallel hierzu werden die kontemporär in den Schweizer Hochöfen verhütteten Bohnerze im Hinblick auf elementare Zusammensetzung und Mineralbestand untersucht, da diese – neben Möller, Brennstoff, Brandregime und Ofenatmosphäre – die Konstitution einer Hochofenschlacke bedingen. Die naturwissenschaftlichen Analysen ergeben in einer Synthese mit Recherchen zur historischen Eisenhüttenkunde ein umfassendes Bild der Verwendungsmodalitäten von Hüttensand im Schweizer Baugewerbe an der Wende vom 19. in das 20. Jahrhundert.