Schöne Vesperbilder

Gipsvorkommen gesucht

Die Studie erarbeitet erstmals geochemische und mineralogische Indizien für die in kunsthistorischen Fachkreisen kontrovers diskutierte Provenienz von Schönen Vesperbildern aus Steinguss oder Gussstein in Südtirol (Norditalien). Den Diskurs dominieren aufgrund qualitativer Unterschiede in Formgebung und Ausarbeitung drei Hauptthesen: Wanderschaft eines Meisters aus dem Raum Österreich versus Reise des ebendort in einer spezialisierten Werkstatt gefertigten Vesperbildes versus Verbreitung des stilistischen Formenvokabulars über Druckmedien oder dreidimensionale Vorlagen. Der Vergleich der Schwefel- und Strontiumisotopensignaturen der hochgebrannten Gipsmörtel mit dem 87Sr/86Sr-Verhältnis als auch δ34S-Wert ostalpiner Sulfatlagerstätten legt die Nutzung von Vorkommen im Salzkammergut sowie möglicherweise auch im Evaporitbezirk Östliche Kalkalpen und damit den Import der Bildwerke nach Südtirol und nicht die Tätigkeit lokaler oder wandernder Meister nahe. 

Es lassen sich zwei geochronologische Einheiten differenzieren: Oberpermischem Rohgestein ist die Pietà in der Kirche St. Martin in Göflan zuzuordnen, wohingegen die innerhalb der Messunsicherheit metrologisch zueinander kompatiblen Vesperbilder in der Stiftskirche zu Unserer Lieben Frau in Marienberg und in der Friedhofskapelle St. Anna in Mölten mit Ablagerungen der Unteren Trias (oder des Übergangs der Unteren zur Mittleren Trias) korrelieren. Die drei hochgebrannten Gipsmörtel unterscheiden sich zudem insofern in ihren petrographischen Charakteristiken, als im ersteren Falle bei einem beträchtlichen Anteil an primären Anhydrit Calcit (teils umgesetzt zu kalkspatzenähnlichen Aggregaten) den Carbonatbestand dominiert, während in der zweiten Gruppe Dolomit (bzw. dessen pyrometamorphe Zersetzungs- und Hydratationsprodukte) überwiegt. Forschungsdesiderat bleibt – neben der Rekonstruktion von Originalfassung und Übermalungen – die Ausweitung der bestehenden Datensammlung auf die Mörtel der Pietà in der Chiesa dell’Addolorata in Cavalese (und damit in direkter Nachbarschaft zu Gipsvorkommen der Bellerophon-Formation des Oberperm) und des Gnadenbildes in der Wallfahrtskirche zu den sieben Schmerzen Mariens in Riffian.